(Offizielle Ankündigungen): Regularium für Spielleute

Hera hat mich auf dem Hoffest zu ihrem (Originalton) "offiziellen Musik... hm... ...dingsda" ernannt. Das bedeutet, daß nun eine Zeit des Schreckens und der Tyrannei für die Spielleute beginnt, harr harr harr. Naja, zumindest für unsere eigenen Märkte.

Nee, im Ernst, zu uns kommen einfach inzwischen nur so viele Spielleute, daß da etwas Ordnung rein muss. Ich selbst bin ja eigentlich eher ein Fan von Plan C (wie Chaos), aber das funktioniert eben nur bis zu einer gewissen Anzahl.

R wie Running Order
Alle Spielleute - auch die, die als Tagesgäste kommen - werden gebeten, künftig vorher bescheid zu sagen, ob und wann sie in etwa kommen, damit wir sie schon mal in eine Running Order einbauen können. Wir haben inzwischen nämlich mehr Interessierte als Slots, daher kommen wir im einen gewissen Grad der Organisation nicht herum. Zudem machen die Sackpfeifer gelegentlich die Lautenspieler mittendrin platt, weil sie einfach nicht gehört haben, daß da irgendwo jemand zupft.
Die Details der Liste kann man ja im Vorfeld ausfeilschen oder noch vor Ort diskutieren und ggf. tauschen.
Zumindest beim Hoffest haben wir ja auch noch eine Mittagspause einzuhalten, zu der die leiseren Klänge bevorzugt eingesetzt werden.

H wie Hutgeld
Als Hutgeld definieren wir, wenn man so etwas wie einen Hut hinstellt und womöglich auch mal darauf hinweist, daß Gäste dort gerne Münzen, gängige Scheine, Inhaberobligationen oder frei konvertierbare Aktienpakete hineinwerfen können. Eventuell kann man auch mal den Hut kreisen lassen.
Nicht gemeint ist damit, von Tisch zu Tisch zu gehen und dort mit freundlichem und fordernden Lächeln zu warten, bis endlich jemand Geld gibt. Das ist irgendwie schon an der Grenze zur agressiven Bettelei.
Zudem spielen all unsere Musiker ohne Gage (Ausnahmen bestätigen die Regel). Die meisten besitzen nicht mal einen Hut zum hinhalten.
Bei uns ist meist pausenlos Programm. Stellt Euch mal vor, Ihr besucht einen Mittelaltermarkt und alle paar Minuten hält Euch der nächste einen Hut vor die Nase...
Gegen den Verkauf der eigenen CDs oder sonstiger eigener Merchandizewaren haben wir aber nichts.
Reich wird man bei uns aber so oder so nicht.

V wie verstärkerfreie Zone
Auf unseren Märkten sind Verstärker grundsätzlich nicht erlaubt. Grund ist primär die GEMA, die kräftig zuschlägt, sobald elektrische Verstärkung im Spiel ist. Gibt es keine Verstärker, ist der Spaß ganz erheblich billiger.
Und andererseits sind Musiker kollegial und stellen ihre Verstärker auch gerne ihren Kollegen vor Ort zur Verfügung, und erfahrungsgemäß nutzen ihn ausgerechnet jene am liebsten, die es besser lassen sollten.
Auch Musikberieselung am Stand ist daher ausgeschlossen. Wer meint, seine Kunden berieseln zu müssen, muss das erstens mit Hera abklären und zweitens die GEMA aus eigener Tasche berappen.

Geübt wird zu Hause
Ein Markt ist nicht der richtige Ort zum Üben mit Musikinstrumenten oder der Sangeskünste. Geübt wird zu Hause! Freilich kann man mal das eine oder andere ausprobieren, aber wer ein Instrument (oder seine Stimme) nicht beherrscht, sollte nicht ausgerechnet öffentlich loslegen, und schon gar nicht das Marktvolk damit quälen, das im Gegensatz zu den Besuchern nicht flüchten kann.
Ausgenommen davon sind leise Instrumente wie Flöten oder Lauten. Da kann es (innerhalb gewisser Grenzen) sogar sehr ambientig wirken, wenn man vor dem eigenen Zelt hockt und leise vor sich hin experimentiert.

A wie Ambiente
De gustibus non est disputandum - über Geschmack kann man nicht streiten. Und doch: auf unseren Märkten geben sich viele Leute viel Mühe, ein mittelalterlich anmutendes Ambiente aufzubauen. Daher sind bestimmte Instrumente total ungeeignet. Kazoo, Melodica, Maultrommel, Didgeridoo und Co bleiben also bitte zu Hause. Auch sind bestimmte Musikstile kontraproduktiv, siehe auch "S wie Stimmung".

S wie Stimmung
Unser typisches Publikum kann man in etwa mit "Senioren und Familien mit Kindern" umschreiben, dazu kommt noch die ganz normale "Laufkundschaft". Die sind nicht gekommen, um sich zotige (spricht anzügliche) Lieder anzuhören und ihren lieben Kleinen anschließend zu erklären, was der Spielmann damit gemeint hat. Auch mit dem typischen Tavernengegröle ( "Und jetzt alleeeee...." ) kommt man bei uns nicht weit. Unsere Besucher sind einfach nicht besoffen genug.

Der Ton macht die Musik
Die einen hören gerne donnernde Dudelsäcke, die anderen lieber leise Lauten. Man kann es nicht allen recht machen, aber man kann es versuchen.
Dudelsäcke ziehen Publikum an und erzeugen meist eine "Zuhörerschaft" - will heißen, man ist gezwungen, zuzuhören, ob man will oder nicht.
Die leisen Töne hingegen sind ein bischen wie Fahrstuhlmusik: keiner hört so richtig hin, aber sie sind enorm entspannend.
Flöten, Lauten, Hümmelchen usw. sind eben Instrumente, mit denen man keinen Rum einheimst, sondern Entspannung verbreitet. Außerdem scheint sie jeder zu lieben, so jedenfalls meine Erfahrung vom Hoffest.
Marktsäcke haben etwas brachiales, was die Leute eher als Attraktion betrachten, aber nach einer gewissen Zeit ist es dann auch gut. Wenn sich drei Brachialmusiker oder -gruppen ablösen, ist schon ein bischen Fingerspitzengefühl gefragt, wann und wo man spielt, um das Publikum nicht zu überlasten. Manchmal wollen sich die Leute ja auch mal miteinander unterhalten.

Der unheilige Fluch der Gitarre
Gitarren sind mit einem Fluch beladen. Das muss so sein, denn jedes mal, wenn ich beim LARP oder auf einem Markt eine Gitarre sehe, beginnt deren Besitzer unweigerlich damit, die neuesten Superhits zu schraddeln. Nein, "Hey, Wickie, hey" hat überhaupt nichts mit Mittelalter oder auch nur Ambiente zu tun. Und nur, weil einige Gruppen mit dem Mittelaltertouch Geld verdienen, heißt das nicht, daß das auch auf unsere Märkte passt. (Wenn es jemand dagegen fertig bekommt, mittelalterliche Weisen auf einer Gitarre zu zupfen, so preise ich ihn.)
Abgesehen davon ist die Gitarre, wie wir sie kennen, man gerade 200 Jahre alt und nicht mal ansatzweise mittelalterlich.
Die sehr viel ambientigere Gitarrenlaute ist zwar sogar nur hundert Jahre alt (ein Produkt des Historismus zur Wilhelminischen Zeit), aber Otto Normalmarktbesucher weiß das zum Glück nicht. Er weiß übrigens auch nicht, daß Marktsäcke ein Produkt der 1970er Jahre sind.
Die Moral von der Geschicht: es zählt, was dabei raus kommt. Wenn es mittelalterlich klingt (oder es auch nur das Volk angenehm unterhält), dann soll es gut sein. Man kann sogar einer Gitarre mittelalterliche Klänge entlocken (wenn der Fluch nicht wäre).
Ich würde sogar einen Flamencogitarristen begrüßen, einfach weil es unter Folklore läuft und das Volk unterhält.
Und Irish Folk kommt übrigens sowieso immer gut an, selbst wenn es gar nichts mit Mittelalter zu tun hat.
Gitarrenlaute (zupfen, nicht schlagen): https://www.youtube.com/watch?v=EiW-PyKecDw
So spielt man richtig: https://www.youtube.com/watch?v=3Vi1UlO2U2U
NICHT ambientig: https://www.youtube.com/watch?v=oIiZZianB2Q
NICHT ambientig (trotz Dudelsack): https://www.youtube.com/watch?v=nVrGijH3ZD0 (Tetris)
NICHT ambientig (trotz Dudelsack): https://www.youtube.com/watch?v=t9lz35Hdo0g

Sangeskünstler
Einen Sonderfall gibt es: wenn sich die verschiedenen Spielleute mitten zwischen den Besuchern zusammensetzen und anfangen, zu singen (womöglich zur Gitarre). Ich vermute mal, daß die dabei entstehende Stimmung viel mit Lagerfeuerromantik zu tun hat. Es ist einfach sympathisch weil es spontan wirkt, und zudem gehen die sängerischen Defizite der einzelnen Sänger in der Masse weitgehend unter. Nur sollte man auch hier vielleicht auf Sauflieder verzichten. Morden und Brandschatzen sind ja in Ordnung, das sind Kinder heutzutage gewohnt, aber wenn aus dem gemeinsamen Gesinge ein gemeinsames Gegröle wird, geht die Toleranz der Eltern (und eigentlich die aller anderen auch) eher zurück.

A wie Ausnahmen
Manche Gruppen haben Schnipsel von modernen Stücken in ihre Musik eingebaut. Was sie zu der Annahme gebracht hat, es sei dem Ambiente förderlich, wenn sie Teile von Queen, Computerspielen oder Star Wars einbauen, erschließt sich mir nicht, aber ich muss schließlich nicht alles verstehen. Vielleicht spielen sie sonst nur in Tavernen (völlig anderes Publikum). Aber wenn es zu ihrem Programm gehört, so sei es.